Meine bescheidene Meinung:
Was momentan in den ö. Medien vor sich geht, beruht auf mehreren Faktoren. Zum einen passt sich auch die Berichterstattung in Ö immer mehr den amerikanischen Verhältnissen an. Damit meine ich, dass jedes Medium noch schneller, noch exklusiver und ausführlicher sein muss, selbstverständlich auch vor dem Hintergrund, dass das Internet natürlich die gesamte Medienlandschaft von Grund auf revolutioniert hat. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht natürlich sehr vernünftig, wie Brett sehr gut auf den Punkt gebracht hat.
Speziell zur Causa Haider: Zum einen ist es für Petzner, das BZÖ und das Ansehen Haiders katastrophal, was er hier im Moment anrichtet, allerdings vermutlich unbewusst, weil er 1. wahrscheinlich zu unerfahren ist und 2. offensichtlich emotional schwer überfordert ist mit der Gesamtsituation. Ob man es auch so auffassen kann, dass er intellektuell zu unbedarft ist und deswegen jede sich anbietende Gelegenheit wahnimmt um für noch mehr Spekulationen zu sorgen, wage ich nicht zu beurteilen, da das Herz das Hirn bekanntermaßen stark unterdrücken kann. Was unbestritten ist, und auf das BZÖ insgesamt ein schlechtes Bild wirft, ist, dass Petzner etweder beratungsresistent ist (was gerade für einen so jungen Parteiobmann ein großes Manko ist) oder die falschen Berater hat, die ihn davon abhalten, sich ständig mit zweideutigen Statements an die Öffentlichkeit zu richten.
Ganz nüchtern betrachtet muss man sagen, dass Petzners Verhalten selbst dazu beigetragen hat, dass jetzt dieser exzessive Voyeurismus um Haiders Todesfall zu immer mehr Spekulationen und Gerüchten führt. Man hätte die Angelegenheit wesentlich diskreter und eleganter lösen können. Petzner ist jetzt auch abgesehen von der beruflichen Stellung in einer denkbar schwierigen Situation. Sollte er tatsächlich eine Liebesbeziehung zu Haider gehabt haben, ist er jetzt in der undankbaren Rolle desjenigen, der eine Affäre zu einem verheirateten Mann unterhalten hat, der "nebenbei" offiziell eine politische Klientel bediente, die alles andere als tolerant gegenüber Homosexualität eingestellt ist. Und wie schon angedeutet, es ist für den Menschen Stefan Petzner offenbar ein ganz verheerender menschlicher Verlust.
Warum sich die Presse darauf stürzt ist wie schon oben angedeutet zum einen aus verkaufsstrategischen Gründen einfach zu erklären. Einen anderen Aspekt könnte man möglicherweise durch geistige Anleihen bei Freud erklären. So halte ich das Medienspektakel inklusive den mittlerweile offen in der Presse ausgesprochenen Vermutungen bezüglich Haiders Homosexualität und einer etwaigen amurösen Beziehung zum jetzigen BZÖ-Chef für die nahezu schon hysterische Inszenierung eines medientechnischen neurotischen Konfliktes. Dieser hat sich dadurch manifestiert, dass es hartnäckige Gerüchte um Haiders bekanntlich schon lange gab. Allerdings durfte man dieses Thema natürlich unter keinen Umständen im intoleranten Österreich in der Öffentlichkeit diskutieren. Die Folgen wären gerichtliche Prozesse, Ächtung und massive Attacken seitens Haider und anderer gewesen. Jetzt haben Journalisten endlich die Möglichkeit, ihre unterdrückte Schreibwut dazu auszuleben, unter dem Legitimierungsargument dass es sich um sog. öffentliches Interesse handelt, worauf ich später noch eingehen möchte.
Was sog. Personen des öffentlichen Lebens und Privatsphäre angeht habe ich folgende Gedanken: Ich denke, dass es sehr wohl schwierig ist, wenn ein Mensch ständig im Rampenlicht steht und jeder Schritt medial kommentiert wird. Allerdings muss man auch sagen, dass ein Politiker in Österreich sehr wohl mitbestimmen kann, in welchem Ausmaß und ob über ihn geschrieben wird. Wer jetzt sofort mit den Paparazzi in KHGs Ribiselstrauch kontern möchte, soll mir aber auch bitte auf Anhieb den Namen von Barbara Pr4mmers Lebensgefährten nennen. Und auch wer denkt, dass die sexuelle Brisanz bezüglich der Homosexualität und der desbezüglichen Einstellung in Ö als überdimensionaler Katalysator für die Druckpressen agiert, möge an andere bekennende homosexuelle Personen in Österreichs Parteienlandschaft denken.
Nein, meiner Meinung hat Petzner die gesamte (öffentliche!) Diskussion selbst durch bereits erwähnte Anspielungen und Andeutungen losgetreten - ich sehe es als Stich in das journalistische Wespennest.
TheDoor liegt bei einer Sache meines Erachtens in seiner Argumentation ziemlich falsch: Gerade Jörg Haider und seine Strategie waren darauf ausgerichtet, sich nicht als "die da oben" darzustellen, sondern als Mann des Volkes. Haider hatte doch in Ö keinen besseren Freund als den "kleinen Mann". Und auch zu bedenken ist, dass sich Haider an amerikanischen Wahlkampfstrategien orientiert hat, ich glaube Oliver Pink hat dazu ein wenig in der "Presse" geshrieben. Und jeder der sich ein bisschen dafür interessiert wird ohne größere Schwierigkeiten sagen können, was Sarah Palin in ihrer Freizeit macht oder wie Obamas Ehefrau mit Vornamen heißt. Darum geht es: ein authentisches Gesamtbild zu schaffen (unabhängig davon, ob die tatsächliche Persönlichkeit diametral anders ausgerichtet ist) um somit Wähler zu überzeugen, die sich davon beeindrucken lassen. Zumindest hat er das aggressive campaining übernommen inklusive dem persönlichen Zugang zu den Leuten (auch von Petzner erwähnt, als er meinte Haider habe jedem Kärntner die Hand geschüttelt). Und wenn soviele Kärntner ihn als Landesvater titulieren, dann ist das kein Verhältnis wie beispielsweise zum Landesrat für das Verkehrswesen. Folglich besteht für viele Leute tatsächlich massives Interesse an den genauen Umständen, schließlich möchte man eine Person, zu der man einen derartig besonderen Zugang hat, auch kennen. Weiters muss bedacht werden, dass Haider ein ganzes Leben lang eine Hass-Liebe zu den Medien unterhalten hat und diese zu einem Großteil zu seiner Profilierung beigetragen hat und in dieser Beziehung waren beide Seiten nicht zimperlich. Folgich ist es nur konsequent, wenn jetzt jedes auch noch so ungustiöse Detail ausgepresst wird. Fleischhacker hat das Thema der Legitimierung der exzessiven Berichterstattung in seinem Blog umrissen:
Ich weiß nicht, was in dieser Nacht genau passiert ist. Aber ich will es wissen, und ich glaube sagen zu können, dass dahinter mehr als ein voyeuristischer Impuls steckt. Die bisherigen Medienberichte erwecken den Eindruck, es habe sich um eine Beziehungskrise zwischen Haider und Petzner gehandelt. GWelche Art Beziehung das war, will ich erst wissen, seit mir der neue Vorsitzende einer österreichischen Parlamentspartei den Eindruck vermittelt, dass die Betonung seines "besonderen Verhältnisses" zum Verstorbenen nicht nur einen nachvollziehbaren psychischen Mechanismus zur Bewältigung eines nachvollziehbaren Schocks darstellt, sondern auch den Versuch, sich politisch zu legitimieren.
Abschließend kann man versuchen die ganze Debatte von einem weiter entferten Schritt zu betrachten und das von Sensationsgier getriebene Ausschlachten aller Umstände zum Tod Haiders als Gegengewicht zu Mythenbildung und Glorifizierung sehen.
Für den Menschen Haider und seine Lieben tut mir der wirklich nicht schöne und frühe Tod leid. Politisch hatte ich nie viel für ihn über (milde ausgedrückt). Aber auch ich halte es prinzipiell für ungustiös, jeden noch so grauenhaften Aspekt derartig in den Medien zu diskutieren.