Drittens ist Strafe paradoxerweise sogar für die Bestraften eine Hilfe (3)! Wenn man von dem dunklen Begriff der "Höllenstrafe" einmal absieht, enthält nach der großen abendländischen Tradition (etwa bei Thomas von Aquin nachzulesen) jede Strafe zwei Elemente: einerseits das Übel, das dem Täter zugefügt wird, und an das man beim Wort "Strafe" zuerst zu denken pflegt, andererseits aber ein "Gut", eine "Wohltat", die ihm zuteil wird. Denn die Strafe hilft dem Täter, sein Unrecht einzusehen, sie ist Verbündete seines Gewissens, das durch sie bestätigt wird. Durch die Strafe läßt die Gesellschaft den Täter mit seinem Schuldbewußtsein nicht allein, sondern bringt ihm zu Bewußtsein, was er angerichtet hat. Gerade dadurch schafft sie die Voraussetzung für den Schuldigen, seine traurig-schuldhafte Vergangenheit zu bewältigen! Dazu kommt noch ein zweites Element: Durch die Strafe wird die Tat gesühnt. Das heißt aber: Der Täter hat Hoffnung, auf diese Weise in die Rechtsgemeinschaft zurückzukehren.
Diese Ansicht zeigt eine gewisse Ferne dieses kirchlichen Vertreters zum Alltagsleben. Was würde denn einen "08/15-Katholiken", welcher, wenn es hoch kommt "alle heiligen Zeiten" einmal in die Kirche geht, schon großartig daran stören, als exkommuniziert zu gelten? Das führt doch nur zu Unverständnis und einer weiteren Abwendung der Betroffenen von der Kirche und somit geht der Schuß nach hinten los.
Die Gesetzgebung in vielen Ländern hat allerdings dazu geführt, daß sogar Vertreter der katholischen Kirche die Fristenlösung meinen "akzeptieren" zu müssen, wie etwa Generalvikar H. Schüller (Wien): "Das gebieten die Spielregeln der Demokratie. Die Kirche kann nicht versuchen, außerparlamentarisch auszuhebeln, was nun einmal demokratisch zustande gekommen ist." Es brauche eine "Schutz- statt einer Strafdebatte."
Abgesehen von der in diesen Aussagen enthaltenen verheerenden Unterwürfigkeit gegenüber staatlichen Gesetzen – die ungültig sind, wenn sie im Widerspruch zum Gesetz Gottes stehen! -, übersieht Schüller, daß sich Schutz- und Strafdebatte nicht trennen lassen. Das hat vor Jahren Kardinal König klargestellt: Ohne Strafbestimmungen "kann von einem Schutz des werdenden Lebens dann" (= wenn die Fristenlösung eingeführt ist) "nicht mehr gesprochen werden" (7).
Diese Aussage birgt diverse Diskussionspunkte. Erstens ist es schön zu sehen, dass es doch noch Leute wie Schüller, der natürlich innerkirchlich als schwarzes Schaf gilt, gibt, welche aufgeschlossen und realitätsnah sind, und zwar sowohl was die Selbstbestimmung des Menschen als auch demokratische Spielregeln angeht. Zweitens ergibt sich ein Aspekt welcher die Gesetze Gottes anlangt: wo ist der kirchliche Aufschrei bei der Todesstrafe? Warum werden nicht sämtliche amerikanische Gouverneure (von Staaten, die die Todesstrafe durchführen und sofern katholisch), exkommuniziert? Warum wurde ein kinderschändender Groer nicht exkommuiziert?...