Die geschändete Musik
Verfasst: Mi Mai 11, 2005 2:38 pm
Was sagt man dazu?
Edwin Baumgartner, Wiener Zeitung hat geschrieben: Höhepunkt eines Liebesduetts aus Puccinis "La Bohème" – und dann die Botschaft: Keine andere Versicherung ist besser. (Vor allem dann nicht, wenn man sich gegen Liebeskummer durch Lungenkrankheit versichern lassen will.)
Oder Puccinis "Turandot" zum Zerplatzen einer Kaugummi-Blase. (Eine Versicherung gegen Enthauptetwerden in China tut wohl Not.)
Vor nicht allzu langer Zeit warb eine Bank mit Mahler, nämlich mit dem "Adagietto" aus der fünften Sinfonie und wenig später, wenn ich mich richtig erinnere, mit einem höchst unsanft abgebrochenen Rückert-Lied.
Solche Werbung ist Schändung von Musik. Nicht einmal Puccinis Schmalzorgien haben das verdient.
Natürlich kann die Literatur der klassischen Musik wirkungsvoll geplündert werden. Der grandiose Filmregisseur Stanley Kubrick war ein Meister der Disziplin: "Also sprach Zarathustra" in "2001 – Odyssee im Weltraum" wertet Richard Strauss’ schwächliche Symphonische Dichtung geradezu auf (während ich den "Donauwalzer" im selben Film für einen Fehlgriff halte). Aber Kubrick hat auch die avantgardistischen Klangmontagen von Krzysztof Penderecki und die irritierend sanften Flächen György Ligetis klug eingesetzt: Zur Untermalung zum Horror des Overlook-Hotels in "The Shining" haben sie bis heute jene verstörende Wirkung behalten, die sie als reine Konzertmusik längst eingebüßt haben.
Am Anfang der Schändung stand freilich niemand Geringerer als Luchino Visconti, der in seiner sonst grandiosen Verfilmung von Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig" Mahlers "Adagietto" (das offenbar zur unsachgemäßen Ausschlachtung neigt) missbraucht.
Doch zurück zur Schändung der klassischen Musik durch die Werbung: Die Einfallslosigkeit der meisten Werbespots auf den deutschsprachigen TV-Sendern schreit wenn schon nicht zum Himmel, so doch zu einem Kreativbüro. Der Einsatz klassischer Musik lässt die beworbenen Produkte auch nicht gediegener erscheinen. Höchstens schäbiger – eben wegen der Schändung der Musik.
Wer mit und durch klassische Musik werben will: Viele Komponisten wären froh über einen entsprechend dotierten Auftrag. Und das entsprechend agierende Unternehmen kann sogar noch damit werben, einen Komponisten gefördert zu haben.
Aber bitte nicht mehr Puccini foltern. Und Mahler schon gar nicht!