Es wird wieder spannend in der Teilchenphysik: Naechsten Donnerstag wird bekanntgegeben, ob neue Praezisionsmessungen zum
magnetischen Moment der Myonen von Standardmodellvorhersagen abweichen.
Dabei gibt es einen Oesterreichbezug:
TU Wien hat geschrieben:Das bisher präziseste Experiment zum Myon-Magnetismus wurde am Brookhaven National Lab im Bundesstaat New York vor 20 Jahren durchgeführt. „Es ergab eine Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment in der neunten Dezimalstelle“, sagt Anton Rebhan. „Das ist immer noch eine extrem präzise Übereinstimmung, aber in diesem Fall ist das bereits eine Abweichung, die groß genug ist, um die Hoffnung auf völlig neuartige, spannende Physik zu wecken.“
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„Man muss viele einzelne Beiträge aufsummieren, um ein exaktes Ergebnis zu erhalten. Einer davon, in dem die Streuung von Licht an Licht eine Rolle spielt, bereitete dabei zuletzt größeres Kopfzerbrechen und führte zu teils heftigen Kontroversen“, sagt Anton Rebhan.
Seit längerer Zeit war bekannt, dass bisherige Modelle gravierende Probleme hatten. Sie waren mathematisch in sich widersprüchlich. „Wir konnten zeigen, dass sich diese Widersprüche auflösen lassen, wenn unendlich viele Beiträge von speziellen Elementarteilchen, den Axialvektor-mesonen, aufsummiert werden“, erklärt Anton Rebhan. Im Dezember 2019 veröffentlichte er zusammen mit seinem Doktoranden Josef Leutgeb die erste Rechnung, bei der das gelang.
Dafür wurden nicht nur die Methoden der Quantenfeldtheorie verwendet, sondern man griff auch auf die Prinzipien der Stringtheorie zurück. „Dabei kommt ein höherdimensionaler gekrümmter Raum ins Spiel, und daraus ergeben sich technische Tricks, mit denen man die unendlich vielen Teilchenanregungen aufsummieren kann“, sagt Rebhan.
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Die neuen Ergebnisse werden auf der ganzen Welt mit Spannung erwartet, in jedem Fall werden sie den weiteren Lauf der Forschung in der Teilchenphysik maßgeblich beeinflussen.
siehe
https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles ... eue-physik
Dass es da um Myonen (= die dickeren Verwandten des Elektrons) geht, freut mich ganz besonders, nachdem mir diese Teilchen besonders ans Herz gewachsen sind. In einer der interessantesten Projektarbeiten im Physik-Studium haben wir ein Experiment zusammenstellen duerfen, in dem wir die Halbwertszeit der Myonen von 1,523 Mikrosekunden auf zumindest 2-3 Kommastellen genau bestaetigen haben koennen. Das war in der Osterwoche im Jahr 2003. Weil wir solange gebraucht haben, bis die Vorrichtung zur Messung der Signale der aus der Hoehenstrahlung kommenden Myonen ueber Photoelektronenvervielfacher funktioniert, ist unser Betreuer zwischenzeitig eingeschlafen und erst kurz vor der Sperrstunde wieder aufgewacht, als der Laermpegel gestiegen ist, weil wir unserer Freude darueber Ausdruck verliehen haben, dass die ersten Myonen im Detektor registriert und erfolgreich ausgewertet werden konnten.
Die Tatsache, dass man Myonen auf der Erde messen kann, kann uebrigens als
Beweis fuer die Spezielle Relativitaetstheorie gewertet werden.
Eigentlich muessten die Myonen, die aus dem Weltraum kommen, aufgrund der niedrigen Halbwertszeit schon zerfallen sein, bevor sie den Erdboden erreichen. Weil aber die Myonen so schnell unterwegs sind (nahe Lichtgeschwindigkeit), haben sie aus unserer Sicht eine langsamer tickende innere Uhr (Zeitdilatation, aehnlicher Effekt wie bei Raumschiffen, die sich einem Schwarzen Loch naehern und sich dabei dem Loch immer langsamer anzunaehern scheinen, obwohl sie immer staerker davon angezogen werden) und kommen dadurch weiter durch die Atmosphaere.
Unbedingt erwaehenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Prinzip der
Myon-katalysierten Kernfusion - eine tatsaechlich funktionierende Methode der
kalten Fusion!
Beim Nachweis, dass dieses Prinzip fuer praktische Anwendungen zur Gewinnung von Fusionsenergie nicht effizient genug ist, gab es uebrigens auch eine bedeutsame oesterreichische Beteiligung (von Mitarbeitern am
zwischenzeitig umbenannten Institut fuer Mittelenergiephysik).