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Bergsalz
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Beitrag von Bergsalz » So Mär 11, 2018 12:26 pm

nytimes.com hat geschrieben:Human beings have many natural tendencies that need to be vigilantly monitored in the context of modern life. (...) our natural curiosity about the unknown can lead us astray on a website that leads us too much in the direction of lies, hoaxes and misinformation.
Hm. Youtube die Schuld dafür zu geben, eine dem Menschen immanente Schwäche (siehe Zitat) auszunutzen, ist für mich eine ethisch schwierige Frage.

Ich meine nämlich, es ist ebenfalls eine der menschlichen Gattung immanente Schwäche, dass es immer jemanden geben wird, der solche Schwächen ausnutzt.

Was mich zum eher extremen Schluss führt:
Da sind wir "einfach" als Tierart zur Evolution aufgefordert, dass solche Dinge nicht mehr passieren können.
So lange uns die Sensations- und Katastrophengier innewohnend bleibt, so lange sind Artikel wie diese nichts weiter als Geseier.


Das war jetzt mal gschwind aus der Westentasche philosophiert. Selbstverständlich hängt da mehr dran - das wäre was für einen bierlaunigen Abend.
"Hey hey hey!" That's what I say.

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mastastefant
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Beitrag von mastastefant » So Mär 11, 2018 1:32 pm

Wie viele komplexe Dinge im Leben finde ich kann man das nicht so einfach schwarz-weiß beantworten..

Einerseits: Wenn einer mit seiner Flat Earth oder Moon Landing Hoax Theorie daherkommt, sollte man den halt einfach mal kurz kollektiv auslachen und dann weitergehen und ignorieren. Hier sollte jeder einzelne sich an der Nase nehmen und soweit Selbstkontrolle haben dass er selbst erkennen kann, dass etwas entweder eindeutig Quatsch ist, oder zumindest dass man selber nicht das nötige Hintergrundwissen und alle Informationen hat um das zu beurteilen. Diese Fähigkeit ist meiner Meinung in der Schulbildung und in der Gesellschaft praktisch vollständig abhanden gekommen. Jeder denkt weil er ein Video auf Youtube gesehn hat ist er jetzt Experte auf dem Gebiet, und was im Internet steht ist sowieso immer wahr.
Das ist etwas wo die Menschen von der neuen Technik in den letzten 20 Jahren einfach überrollt wurde. Vor 20-30 Jahren gab es Zeitungen und Radio und Fernsehen, sowie Bücher als Informationsquellen. Auch wenn dort viel Quatsch und Propaganda mit dabei war, war es doch ein relativ konzentrierter Informationsfluss aus wenigen Quellen die ein gewisses Mindestmaß an Journalismus und Professionalität hatten, manche mehr, viele weniger, aber dennoch ist ein Buch oder einen Fernsehbericht zu schreiben was anderes als eine Twittermeldung oder Blogpost. Mit dem Internet kam plötzlich ein Schwall an Informationen daher, ungefiltert und aus allen Richtungen - und noch schlimmer, durch Google, Facebook und Co Ranking Algorithmen im Hintergrund doch auch noch massiv gefiltert und verzerrt, aber ohne dass man es direkt mitbekommt. Auf der einen Seite ist das gut, dass man viel direkteren Zugang zu Informationen hat, aber auf der anderen Seite ist der Informationsfluss und die Verzerrungen viel schwerer zu sehen, und die Anforderungen an den einzelnen ein halbwegs unverzerrtes Weltbild zu bekommen massiv gestiegen bis fast unmöglich.
Obendrauf sitzen noch Prozesse wie Presseargenturen und Wikipedia, die sich einerseits selbst Falschinformationen gegenseitig bestätigen und andererseits ein recht kleines Spektrum an Nachrichten auf immer die selbe Art rausfiltern. Wenn man auf orf.at oder standard.at oder kurier oder Heute sonst wohin schaut, man findet mit leichten Variationen praktisch immer die selben Schlagzeilen und Stories, nur mit gelegentlich anderen Wortlaut..
Und obendrein kommt hinzu, dass die meisten Sachverhalte wie die Strafzölle der USA oder Dieselabgaswerte und -effizienz oder die Hintergründer der Moon Hoax Theorien sehr komplexe Sachverhalte sind, da zeigt selbst ein längerer Artikel nur einen Teil der Wahrheit und der Zusammenhänge.
Und auch die hohe Wissenschaft ist da nicht davor gefeit, wie man ja immer wieder an Berichten sieht, wenn das CERN mal wieder ein Teilchen schneller als Lichtgeschwindigkeit oder einen Fehler in grundlegenden Naturgesetzen gefunden hat.. Da wird dann gelegentlich auch etwas vorschnell ein euphorisches Paper mit den Findings veröffentlicht, was von der Presse als Umsturz der Wissenschaft aufgebauscht wird und viral wird, und 1 Monat später stellt sich dann doch immer raus dass nur ein Messgerät 10cm zu weit Links gestanden ist...

Deswegen: Ja, ich finde es liegt hier an den Menschen selber mit den Problemen der Technik umzugehen und kritischer mit Informationen zu sein. Aber das ist nicht einfach und braucht Übung und Schulung, weil das menschliche Gehirn wie bei optischen Täuschungen prädestiniert dazu ist, Zusammenhänge und Sensationen zu erkennen die keine sind, und Details und Inkonsistenzen eher ausblendet. Obendrein macht die Geschwindigkeit mit der alles aufkam, die Komplexität der Welt an sich, und die Mechanismen hinter dem Informationsfluss es nicht einfacher. Daher ist es jetzt umso wichtiger denn je, dass man lernt damit umzugehen, einerseits, und andererseits man alle unnötigen Mechanismen die die Realitätsblasen noch verstärken im Rahmen hält (und abgesehen davon grad diese Related Videos Vorschläge bei Youtube sind sowieso immer der größte Murks, nur Zeug das in keinem Zusammenhang steht nur weils sensationsgeil ist).

Andererseits:
Ist man erst mal in einer Realitätsblase drin, ist das ein Zustand der wie eine psychologische Krankheit eine echte Einschränkung des Denkvermögens darstellt und aus der man aus eigenen Stücken nicht mehr herauskommt und Hilfe benötigt. So wie man eine echte Depression oder Manie nicht einfach wegtrinken kann sondern man medizinisch behandeln muss, ist auch das Abrutschen in die Radikalität bzw. in eine Realitätsblase etwas das man sich nicht aussucht und nicht von selbst oder sonst wie ohne weiteres herauskommt. Jemand der vom Moon Landing Hoax, Flat Earth oder, um auch wieder etwas anzuecken, von einem Gott überzeugt ist, so jemanden ist durch kein Argument der Welt zu kommen. Egal wieviel Gegenargumente oder Logik oder Beweise man so jemandem unter die Nase hält, er wird es immer nur als zusätzlichen Beweis verstehen dass er Recht hat und der andere nur Teil der "anderen" ist die ihn in die Lügenwelt zurückbringen wollen. Dafür gibt es eine Menge an psychologischen Effekten die das bewirken, z.B. dass wenn man ein bestimmtes Weltbild lange genug verteidigt, man durch die Investition die man da hinein gemacht hat nicht einfach sagen kann, Ok, hab mein halbes Leben halt doch kompletten Quatsch geglaubt - das passiert nicht von heute auf morgen wenn man da wirklich emotional drin hängt, stattdessen dreht man sich die Fakten so um dass es doch irgendwie zusammenzupassen scheint, durch gezieltes Auswählen und Umdeuten an Informationen.
Ich kann mir gut vorstellen dass wenn man in einem Umfeld aufwächst, in dem Radikalität normal ist (NRA, Fundi-Christen, extrem starke Parteizugehörigkeiten, diese Repubikaner-Kampfradioshows, Kampf-Feministen, .. ) dann wird man da auch sehr leicht drin stecken bleiben. Wenn einem dann auch noch zusätzlich das Internet mit Google, Youtube, Facebook, .. innerhalt nur weniger Minuten auch noch den Informationsfluss in genau die selbe Richtung schickt, wie lange wird es da wohl dauern bis ein Weltbild da bleibend umgebogen ist....

Deswegen finde ich ist es als Gesellschaft sehr wohl angebracht, die Technik entsprechend in den Griff zu bekommen und nicht alles nur auf den einzelnen Menschen zu schieben (genauso wie man ja auch nicht den Körper mit Feinstaub belasten möchte, will man den Geist nicht mit ständig radikalisiernden News belasten).
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Beitrag von mastastefant » Mi Mär 14, 2018 8:36 pm

YouTube will jetzt Wikipedia Artikel verlinken um Fake Hoax Videos zu bekämpfen :
https://www.reuters.com/article/us-alph ... SKCN1GP37E

Gab ja schon lang keine grossen Edit Wars mehr auf Wikipedia ;)

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Beitrag von Brett » Do Mär 15, 2018 2:13 pm

Oida.

Aber ich weiß woher es kommt und muss sagen, dass in der heranreifenden Generation meinen Beobachtungen zufolge wirklich viel stärker die Haltung vorherrscht: "Google findet's nicht? Dann kann es ja gar nicht stimmen."
Und ähnlich ist es mit den via Youtube vermittelten Inhalten.
Bzw. - Stilfrage - auch mit der Art und Weise, Inhalte zu vermitteln.


Dem Jackpot hab ich unlängst erzählt, dass in Manhattan einmal ein Schispringen mit Lauda Air, Red Bull und ÖMV als Sponsoren stattgefunden hat.

Der wollt mir das so lange nicht glauben, bis ich ihm die abfotografierte Seite von wiesls Posting hier aus dem Forum vor die Nase gehalten habe - davor hatte die Google-Verifizierung fehlgeschlagen, und so lange war es in seinem Kopf sicher nie passiert. :uhoh: :cat: :santa:
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Beitrag von mastastefant » Fr Mär 16, 2018 3:04 pm

Wenn man in Google nach Krankenhaus Nord Wien sucht, sagt Google übrigens dass es ein Rating von 3.2 Sternen hat, und 24h geöffnet ist...

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Beitrag von Brett » Fr Mär 16, 2018 3:20 pm

Ja, und eine der Ein-Stern-Bewertungen ist mit dem Kommentar ausgestattet:

"Merkwürdig dies Kostenexplosion. Einfach ein bißchen verkalkuliert."

Wieviele Sterne sollte denn dann das AKH bekommen? :D


btw: Muahaha.
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Beitrag von mastastefant » Do Mär 22, 2018 11:55 am

Ich frag mich ja nur warum die Leute immer so überrascht sind dass es am Ende teurer wird.. Man vergibt da einen Riesen Auftrag an den billigsten Bieter, klar dass die keine Luft nach oben einplanen, vor allem wenn die Mehrkosten dann eh vom Käufer und nicht vom Anbieter getragen werden.
Dann kommen halt die Anderungswunsche, Details die man am Anfang nicht gesehen hat, unvermeidliche Schlampereien und Verzögerungen, und schon kostet es halt 50% mehr.. Oder meistens eher 100%, dürfte so die Größe für staatliche Projekte sein (aber andere Projekte sind oft auch nicht viel besser, aber wenn man das Kostenrisiko eher zum Anbieter schiebt und nicht den absoluten minimalpreis schätzt hilft das auch..)

Ich bin ja nur gespannt ob sie dort endlich ein zusätzliches MRT einbauen.. Schaut jetzt nicht so danach aus. Der Schwachsinn die Diagnose und Behandlung schwerpunktmäßig auf verschiedene Orte aufzuteilen ist furchtbar besonders im akutfall, sogar im AKH werden die Leute oft per Transport nach außen geschickt weil hier alles heillos überlastet ist, und die meisten Spitaler haben das gar nicht und schicken die Leute auf Weltreisen.

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Beitrag von mastastefant » Do Mär 22, 2018 12:02 pm

Allein wenn man bedenkt wieviel das kostet dass Leute oft tagelang oder wochenlang im Spital zur Diagnose rumliegen und Betten belegen nur um auf einen Termin auswärts zu warten, ich kann mir nicht vorstellen dass sich da selbst ein teures Diagnosegerät nicht eventuell rentiert, mal abgesehen vom medizinischen nutzen gleich richtig behandeln zu können statt mit fehldiagnosen Zeit zu verlieren.

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Beitrag von Bergsalz » Do Mär 22, 2018 12:20 pm

Tell me about it...
Mit quasi der gleichen Personal- und Autozahl fahren wir immer häufiger und weiter.

Wenn ich mich dran erinnere, dass es im K|-| Klbg, als es in meiner Anfangszeit noch keine Landesklinik war, eine Urologie, Kinderabteilung, Physikalische Therapie, zwei chirurgische Stationen etc gab...
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Beitrag von Brett » Do Mär 22, 2018 1:41 pm

In einer Vorlesung hat mal einer gesagt, dass das am weitesten fehlbudgetierte Großprojekt ever die Oper von Sydney ist.

Könnte stimmen, also zumindest prozentuell ist das wohl schwer zu toppen:
Utzon sollte mit den Bauarbeiten beginnen, bevor sämtliche Kostenanalysen und alle technischen Probleme gelöst waren.[5] Daher war keine genaue Kostenberechnung und auch keine Planung der Bauzeit möglich. Dies trug dazu bei, dass die ursprünglich eingeplanten Baukosten von £3,5 Mio. auf über £50 Mio. (100 Mio. australischer Dollar) wuchsen und sich der Fertigstellungstermin vom Australia Day (26. Januar) 1965 bis in den Herbst des Jahres 1973 verzögerte.
Forma, Eier Gnodn.

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