Verfasst: So Sep 17, 2017 12:06 am
Noch erwähnen wir zum Schlusse gegenwärtiger Darstellung eine Volkssage über Greifenstein und einem seiner erstern Besitzer, die ihres romanhaften Charakters wegen ganz das Gepräge des Ritterthums an sich trägt.
Schon im XI. Jahrhunderte waren die Herren von Greifenstein, wie wir oben berichtet haben, wegen ihrer Reichthümer und Macht berühmt. Einer dieser ältesten Bewohner der Burg war Otto, ein Ritter von rauher Gemüthsart. Seine frühzeitig gestorbene Gattin hinterließ ihm eine einzige Tochter, Irmfried genannt. Von Ottos ungestümen Wesen für ihr Kind nichts Erfreuliches hoffend, empfahl sie vor ihrem Hinscheiden die geliebte Tochter dem alten Schloßcaplan, einem ehrwürdigen, biedern, tugendhaften Manne.
Ein holdes Aeußeres schmückte Irmfrieds Körper, so trachtete denn auch der gute Pater Anselm den Geist des Fräuleins zu bilden. Sie wuchs zur Bewunderung des ganzen Hauses heran, und bald war sie der Gegenstand der Liebe und Bewunderung des ganzen Gaues. Als sie zur blühenden Jungfrau herangereift war, buhlten viele stattliche Ritter um ihre Gunst und Liebe; aber vor allen Freiern gewann sie den jungen edlen Ritter Rudolph lieb, dessen Armuth leider das größte Hinderniß der Liebenden ward. Sie mußten daher ihre Gefühle vor dem rauhen Vater verheimlichen, der durch Irmfried seine eigennützigen und ehrsüchtigen Entwürfe auszuführen hoffte.
Einer Fehde wegen, die er gegen einen seiner Nachbarn ohne allen Billigkeitsgrund geführt hatte, ward Otto an des Kaisers Hoflager berufen, um sich dort dießfalls zu rechtfertigen. Vor seiner Abreise trug er dem Pater Anselm die Obsorge über Irmfried auf, und trat mürrisch seine Reise an.
Die Liebenden hatten nun Gelegenheit, sich öfters, und mehrmal allein, ohne Aufsicht zu sehen. Irmfried liebte ihren Rudolph mit dem glühenden Feuer erster Liebe, und in einem Augenblicke des Austausches der zärtlichsten Gefühle, waren beide schwach, und Irmfried fiel.
Acht Monate waren bereits nach Ottos Abreise verflossen, da ließ er seine baldige Ankunft melden und Irmfried insbesonders sagen, daß er ihr einen stattlichen Ritter als Gemahl mitbringen werde. Man denke sich die Angst und Verlegenheit der Liebenden, deren Fehltritt bald ein lebender Zeuge kund machen sollte. In dieser Angst wendete sich Irmfried an Pater Anselm und vertraute ihm ihr verhängnißvolles Geheimniß an.
Pater Anselm war nicht wenig darüber betroffen, sein gutes Herz aber, obgleich es das Geschehene im hohen Grade mißbilligte, entschuldigte doch der Liebenden Vergehen, als eine menschliche Schwäche, und von Rudolphs anhaltendem Flehen und Irmfrieds Thränen tief gerührt und erschüttert, versprach er den Vermittler bei Otto machen zu wollen; doch rieth er ihnen an, sich vor den ersten Zorne des Vaters zu verbergen, zu welchem Ende er ihnen einen halbverschütteten Weg als Zufluchtsstätte vorschlug.
Mit Dank nahmen die Geängstigten seinen Rath an; und mit einem Korbe versehen, worin er Brot, Wein und ein Krüglein Oel zur Erleuchtung ihrer finstern feuchten Erdschlucht legte, führte er sie unbemerkt dahin ab.
Kurze Zeit hierauf kehrte der alte Ritter mit dem reichen, doch trüb aussehenden Freier zurück. "Wo ist Irmfried?" war seine erste Frage. Der gute Pater Anselm trat verlegen hervor und bat ihn, halb stotternd, sie ruhen zu lassen, da sie seit einiger Zeit sehr krank und schwach wäre.
Otto willigte für heute ein, aber des andern Tags stand er schon in aller Frühe auf und suchte seine Tochter; er fand sie aber nicht. Er eilte zu Anselm, und da der Ritter so ziemlich ruhig aussah, faßte der Pater, auf seine Beredsamkeit sich verlassend den Muth, ihm allmählig die Liebesgeschichte seiner Tochter beizubringen; ja, er ließ sich sogar durch Ottos anscheinende gutmüthige Fassung so weit täuschen, daß er ihm entdeckte, daß die Liebenden sich verborgen hielten.
Gleich einem Blitzstrahle, der bei stürmendem Gewitter, Alles entzündet, wohin er fällt, war des Ritters Zorn entbrannt. Seine Wuth hatte keine Schranken; und als Pater Anselm den Aufenthaltsort der Unglücklichen ihm nicht verrathen wollte, scheute er sich nicht, den priesterlichen Greis zu mißhandeln, und den schwachen alten Mann nach ein verborgenes Gemach zu schleppen, und ihn dort auf das Härteste behandeln zu lassen. Aber alle diese Mißhandlungen konnten die Standhaftigkeit des redlichen Mannes nicht erschüttern, stets verweigerte er die Entdeckung des Aufenthaltsortes der Liebenden. Ottos wildes Gemüth wurde dadurch so sehr erbittert, daß er den guten Anselm zur ewigen Gefangenschaft verurtheilte, und ihn an einem Strick durch eine eiserne Fallthür in das Burgverließ senken ließ. Mit Wasser und Brot nur sparlich genährt, der rohen Behandlung seines Wärters ausgesetzt, verlebte der gute Pater Anselm in düsterer Abgeschiedenheit traurig seine Tage; nichts versüßte ihm seine Leiden, nur eine junge Schlange, die sich aus den feuchten Gemäuern des Verließes entwunden hatte, gesellte sich traulich zu ihm und wurde seine unzertrennliche Gefährtin, mit der er seine kärgliches Brot nachbarlich theilte.
Indessen war schon ein Jahr verflossen, und noch immer schmachteten Alle in ihren Gefängnissen. - Ja, Otto schwur sogar, seine Tochter, wenn er sie wieder finde, in ewiges Gefängniß zu werfen. "Sollte ich ihr verzeihen," setzte er hinzu, "so will ich an dem Orte, wo ich sie in meine Arme schließe, eines jähen Todes sterben, und als Verdammter umherirren."
An einem trüben Wintertage irrte der Ritter einstmal auf der Jagd herum, und so herumschlendernd kam er gegen das Ufer der Donau. Plötzlich entdeckt er eine menschliche Gestalt in einer Thierhaut vermummt. Diese auffallende Erscheinung erregte seine Neugierde, und er beschloß ihr nachzufolgen. Nach kurzem Gehen sieht er die Gestalt verschwinden. Hastig verdoppelte er seine Schritte und glücklich erreichet er sie eben noch als sie in eine Art Höhle eintrat. Fast zu gleicher Zeit dringt er mit ihr ein, - es war seine Tochter, die er nun erblickt - deren Söhnlein auf Laube ruhend, eben noch an den Beinen eines getödteten Wildes nagte. Er erkennt sie, aber das Vaterherz schwieg und das Mitleiden war verstummt. Sogleich befahl er den nachgefolgten Begleitern, sie auf die Burg zu führen, und drohende Blicke verkündeten Irmfried des Vaters Zorn. Schon ertheilte er den Befehl, beide ins Burgverließ zu werfen; aber des Enkels Stammeln trifft sein Herz, - gerührt umarmt er die wiedergefundene Tochter und den neu bescherten Enkel und sie ans Herz drückend, sichert der Reuige Verzeihung und Vergessenheit zu.
Nun eilte er den Pater Anselm zu befreien; aber unglücklicher Weise gleitet er auf der letzten Stufe der Treppe aus, und fällt hinab. Niemand hört sein Wimmern, er richtet sich auf und sterbend ergreift er den nahen Stein - und war todt. - Den andern Morgen klebte noch seine Hand an dem Stein. Hier war er, wo er Irmfried umarmte und ihr verzieh.
Rudolph, der nun Herr des Schlosses war, forschte nach Anselms Gefängniß und jubelnd holte er und Irmfried den würdigen Greis heraus, der seine treue Gesellschafterin so eben weinend mit einem Stocke erschlug, da sie bereits so groß geworden war, daß er ohne selbst zu verhungern, ihr von seinem Brote nichts mehreres verabfolgen konnte.
Glücklich verlebte das so lang geängstigt gewesene Kleeblatt die von der Schöpfung einem jeden noch vergönnten Tage; Otto aber ging von der Stunde an, als Geist herum.
Schon im XI. Jahrhunderte waren die Herren von Greifenstein, wie wir oben berichtet haben, wegen ihrer Reichthümer und Macht berühmt. Einer dieser ältesten Bewohner der Burg war Otto, ein Ritter von rauher Gemüthsart. Seine frühzeitig gestorbene Gattin hinterließ ihm eine einzige Tochter, Irmfried genannt. Von Ottos ungestümen Wesen für ihr Kind nichts Erfreuliches hoffend, empfahl sie vor ihrem Hinscheiden die geliebte Tochter dem alten Schloßcaplan, einem ehrwürdigen, biedern, tugendhaften Manne.
Ein holdes Aeußeres schmückte Irmfrieds Körper, so trachtete denn auch der gute Pater Anselm den Geist des Fräuleins zu bilden. Sie wuchs zur Bewunderung des ganzen Hauses heran, und bald war sie der Gegenstand der Liebe und Bewunderung des ganzen Gaues. Als sie zur blühenden Jungfrau herangereift war, buhlten viele stattliche Ritter um ihre Gunst und Liebe; aber vor allen Freiern gewann sie den jungen edlen Ritter Rudolph lieb, dessen Armuth leider das größte Hinderniß der Liebenden ward. Sie mußten daher ihre Gefühle vor dem rauhen Vater verheimlichen, der durch Irmfried seine eigennützigen und ehrsüchtigen Entwürfe auszuführen hoffte.
Einer Fehde wegen, die er gegen einen seiner Nachbarn ohne allen Billigkeitsgrund geführt hatte, ward Otto an des Kaisers Hoflager berufen, um sich dort dießfalls zu rechtfertigen. Vor seiner Abreise trug er dem Pater Anselm die Obsorge über Irmfried auf, und trat mürrisch seine Reise an.
Die Liebenden hatten nun Gelegenheit, sich öfters, und mehrmal allein, ohne Aufsicht zu sehen. Irmfried liebte ihren Rudolph mit dem glühenden Feuer erster Liebe, und in einem Augenblicke des Austausches der zärtlichsten Gefühle, waren beide schwach, und Irmfried fiel.
Acht Monate waren bereits nach Ottos Abreise verflossen, da ließ er seine baldige Ankunft melden und Irmfried insbesonders sagen, daß er ihr einen stattlichen Ritter als Gemahl mitbringen werde. Man denke sich die Angst und Verlegenheit der Liebenden, deren Fehltritt bald ein lebender Zeuge kund machen sollte. In dieser Angst wendete sich Irmfried an Pater Anselm und vertraute ihm ihr verhängnißvolles Geheimniß an.
Pater Anselm war nicht wenig darüber betroffen, sein gutes Herz aber, obgleich es das Geschehene im hohen Grade mißbilligte, entschuldigte doch der Liebenden Vergehen, als eine menschliche Schwäche, und von Rudolphs anhaltendem Flehen und Irmfrieds Thränen tief gerührt und erschüttert, versprach er den Vermittler bei Otto machen zu wollen; doch rieth er ihnen an, sich vor den ersten Zorne des Vaters zu verbergen, zu welchem Ende er ihnen einen halbverschütteten Weg als Zufluchtsstätte vorschlug.
Mit Dank nahmen die Geängstigten seinen Rath an; und mit einem Korbe versehen, worin er Brot, Wein und ein Krüglein Oel zur Erleuchtung ihrer finstern feuchten Erdschlucht legte, führte er sie unbemerkt dahin ab.
Kurze Zeit hierauf kehrte der alte Ritter mit dem reichen, doch trüb aussehenden Freier zurück. "Wo ist Irmfried?" war seine erste Frage. Der gute Pater Anselm trat verlegen hervor und bat ihn, halb stotternd, sie ruhen zu lassen, da sie seit einiger Zeit sehr krank und schwach wäre.
Otto willigte für heute ein, aber des andern Tags stand er schon in aller Frühe auf und suchte seine Tochter; er fand sie aber nicht. Er eilte zu Anselm, und da der Ritter so ziemlich ruhig aussah, faßte der Pater, auf seine Beredsamkeit sich verlassend den Muth, ihm allmählig die Liebesgeschichte seiner Tochter beizubringen; ja, er ließ sich sogar durch Ottos anscheinende gutmüthige Fassung so weit täuschen, daß er ihm entdeckte, daß die Liebenden sich verborgen hielten.
Gleich einem Blitzstrahle, der bei stürmendem Gewitter, Alles entzündet, wohin er fällt, war des Ritters Zorn entbrannt. Seine Wuth hatte keine Schranken; und als Pater Anselm den Aufenthaltsort der Unglücklichen ihm nicht verrathen wollte, scheute er sich nicht, den priesterlichen Greis zu mißhandeln, und den schwachen alten Mann nach ein verborgenes Gemach zu schleppen, und ihn dort auf das Härteste behandeln zu lassen. Aber alle diese Mißhandlungen konnten die Standhaftigkeit des redlichen Mannes nicht erschüttern, stets verweigerte er die Entdeckung des Aufenthaltsortes der Liebenden. Ottos wildes Gemüth wurde dadurch so sehr erbittert, daß er den guten Anselm zur ewigen Gefangenschaft verurtheilte, und ihn an einem Strick durch eine eiserne Fallthür in das Burgverließ senken ließ. Mit Wasser und Brot nur sparlich genährt, der rohen Behandlung seines Wärters ausgesetzt, verlebte der gute Pater Anselm in düsterer Abgeschiedenheit traurig seine Tage; nichts versüßte ihm seine Leiden, nur eine junge Schlange, die sich aus den feuchten Gemäuern des Verließes entwunden hatte, gesellte sich traulich zu ihm und wurde seine unzertrennliche Gefährtin, mit der er seine kärgliches Brot nachbarlich theilte.
Indessen war schon ein Jahr verflossen, und noch immer schmachteten Alle in ihren Gefängnissen. - Ja, Otto schwur sogar, seine Tochter, wenn er sie wieder finde, in ewiges Gefängniß zu werfen. "Sollte ich ihr verzeihen," setzte er hinzu, "so will ich an dem Orte, wo ich sie in meine Arme schließe, eines jähen Todes sterben, und als Verdammter umherirren."
An einem trüben Wintertage irrte der Ritter einstmal auf der Jagd herum, und so herumschlendernd kam er gegen das Ufer der Donau. Plötzlich entdeckt er eine menschliche Gestalt in einer Thierhaut vermummt. Diese auffallende Erscheinung erregte seine Neugierde, und er beschloß ihr nachzufolgen. Nach kurzem Gehen sieht er die Gestalt verschwinden. Hastig verdoppelte er seine Schritte und glücklich erreichet er sie eben noch als sie in eine Art Höhle eintrat. Fast zu gleicher Zeit dringt er mit ihr ein, - es war seine Tochter, die er nun erblickt - deren Söhnlein auf Laube ruhend, eben noch an den Beinen eines getödteten Wildes nagte. Er erkennt sie, aber das Vaterherz schwieg und das Mitleiden war verstummt. Sogleich befahl er den nachgefolgten Begleitern, sie auf die Burg zu führen, und drohende Blicke verkündeten Irmfried des Vaters Zorn. Schon ertheilte er den Befehl, beide ins Burgverließ zu werfen; aber des Enkels Stammeln trifft sein Herz, - gerührt umarmt er die wiedergefundene Tochter und den neu bescherten Enkel und sie ans Herz drückend, sichert der Reuige Verzeihung und Vergessenheit zu.
Nun eilte er den Pater Anselm zu befreien; aber unglücklicher Weise gleitet er auf der letzten Stufe der Treppe aus, und fällt hinab. Niemand hört sein Wimmern, er richtet sich auf und sterbend ergreift er den nahen Stein - und war todt. - Den andern Morgen klebte noch seine Hand an dem Stein. Hier war er, wo er Irmfried umarmte und ihr verzieh.
Rudolph, der nun Herr des Schlosses war, forschte nach Anselms Gefängniß und jubelnd holte er und Irmfried den würdigen Greis heraus, der seine treue Gesellschafterin so eben weinend mit einem Stocke erschlug, da sie bereits so groß geworden war, daß er ohne selbst zu verhungern, ihr von seinem Brote nichts mehreres verabfolgen konnte.
Glücklich verlebte das so lang geängstigt gewesene Kleeblatt die von der Schöpfung einem jeden noch vergönnten Tage; Otto aber ging von der Stunde an, als Geist herum.