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florianklachl
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Präzedenzfall Fernwirkungsschaden

Beitrag von florianklachl » Do Okt 27, 2005 1:28 pm

aus "Die Presse", v. 18.8.2003 (B. Komenda) ->link


Schmerzengeld für Magersüchtige


Der Oberste Gerichtshof spricht einer jungen Frau Schmerzengeld zu, die nach einem schweren Unfall ihrer Eltern magersüchtig geworden ist.


WIEN. Der Oberste Gerichtshof setzt seine neue Judikatur fort, mit der er den Kreis der Schmerzengeld-Berechtigten schrittweise erweitert: Das Höchstgericht hat einer jungen Frau Schmerzengeld zugesprochen, die als Folge eines schweren Motorradunfalls ihrer Eltern an Magersucht erkrankt war. Der Autofahrer, der den Unfall verschuldet hat (bzw. seine Haftpflichtversicherung), muss der Frau 21.500 Euro Schmerzengeld zahlen.

Die Eltern der damals 14-jährigen Klägerin mussten wegen etlicher, teils komplizierter Knochenbrüche wochenlang stationär behandelt werden und waren danach monatelang pflegebedürftig. Während dieser Zeit lebte das Mädchen mit ihrem Bruder allein zu Hause und führte den Haushalt. Die Aufgabe, Schule und Haushalt nebeneinander zu bewältigen, überforderte sie: "Aus Trotz", wie es in den gerichtlichen Feststellungen heißt, trat sie "gleichsam in den Hungerstreik". Schwere, auch psychiatrisch zu behandelnde Essstörungen waren die Folge. Ende 1999 brachte das Mädchen nur noch 33 Kilo auf die Waage. Erst im April 2000 konnte sie, mühsam auf 44 Kilo aufgepäppelt, aus dem Spital entlassen werden.

Der OGH bejahte den Ersatzanspruch für den "Fernwirkungsschaden" der seelisch schwer erschütterten jungen Frau (2 Ob 111/03t, "Presse"-Fax auf Abruf unter 0900/55 55 11-03, 9 Seiten, max. 1,08 Euro/Minute). Er schrieb damit seine Judikaturlinie fort, die den immateriellen Schadenersatz behutsam erweitert. Zwei Präzedenzfälle, in denen der Gerichtshof ebenfalls mittelbare psychische Schäden als ersatzfähig erkannte, hatten sich vom neuen Fall in einem Punkt unterschieden: Beide Male waren die Opfer am Unfallgeschehen direkt beteiligt gewesen. Vergleichbar, wenn auch aus einem anderen Grund etwas anders gelagert war auch der Schmerzengeldanspruch eines Mannes, der durch die Nachricht vom Tod - und nicht bloß von Verletzungen - eines Angehörigen in schwere Depressionen verfallen war. Der Gerichtshof war sichtlich bemüht, die Warnung der Beklagten vor einer unbegrenzten Ausuferung des Schadenersatzes zu entkräften: Einerseits sei die Gesundheitsschädigung der Klägerin als eine "gerade noch adäquate", also nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegende, Folge des Unfalls zu betrachten; außerdem habe zwischen der Klägerin und deren Eltern eine von der Rechtsordnung anerkannte familiäre Sonderbeziehung bestanden.

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auf gut deutsch:
In Zukunft kann man anscheinend auch für Dinge bestraft werden, die man nicht direkt und unmittelbar verursacht hat! Die Bestimmung des Ausmaßes an zu leistenden Schadenersatzzahlungen wird also, weil die Höchstrichter aus zumindest mir unerfindlichen Gründen befunden haben, "die immateriellen Schadenersatzansprüche behutsam zu erweitern", für den Beklagten zunehmend zum Glücksspiel. Die rechtlichen Grundlagen für diese neue "Judikaturlinie" sind jedenfalls äußerst dürftig, siehe die Rechtfertigung für das Urteil: "Gesundheitsschädigung der Klägerin liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung" sowie "familiäre Sonderbeziehung" zwischen Eltern und Tochter.
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Hannes
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Beitrag von Hannes » Do Okt 27, 2005 4:13 pm

Sehr bedenklich find ich. Weil wo zieht man dann die Grenze? Es is halt definitiv eine Lücke im Gesetz die nicht so leicht zu schließen sein wird, weils eben nicht immer so einfach nach dem Schema "Opfer - Täter" abläuft und noch andere involviert sind, die passiv leiden.

Andererseits bekommt der Russe, der den schweizer Fluglotsen erstochen hat, 8 Jahre. Man muss bedenken, dass der seine komplette Familie verloren hat und dadurch praktisch sein ganzes Leben verpfuscht wurde. Da hätte ich schon ein etwas milderes Urteil erwartet, weil die Reaktion ist, wenn auch falsch, nachvollziehbar.

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florianklachl
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Beitrag von florianklachl » Mi Nov 16, 2005 12:48 pm

eine Begründung des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung, dass Zivildienern ein Essensgeld von Eur 13.60 täglich zu gewähren ist:
Der VfGH hat aber nun auch gesagt, man müsse sich auch in Gasthäusern verpflegen können und die 13,60 Euro sind die untere Grenze, die er setzt.
(Quelle: http://derstandard.at/?id=2242800)


Ich finde, Arbeitslose sollten sich auch in Gasthäusern verpflegen können. Also auf zum Vfgh! Wir fordern mehr "Arbeitslose" für Arbeitslose! ;)
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Hannes
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Beitrag von Hannes » Mi Nov 16, 2005 12:50 pm

Vor allem weiss ich echt ned, woher das Geld kommen soll. Das is ja mehr als eine Verdopplung

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Brett
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Beitrag von Brett » Fr Nov 18, 2005 9:11 pm

Ein Schnitzel und drei Spritzer täglich... ein Jahr lang...
Forma, Eier Gnodn.

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Brett
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Beitrag von Brett » Fr Nov 18, 2005 9:14 pm

Hannes hat geschrieben:Fluglotsen
Was ging da leicht vor sich? Nix mitbekommen...
Forma, Eier Gnodn.

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Hannes
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Beitrag von Hannes » Sa Nov 19, 2005 3:37 am

Da wird glaub ich eh die ganze Gschicht nochmal erklärt:

http://de.news.yahoo.com/051025/3/4qllo.html

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Brett
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Beitrag von Brett » Sa Dez 17, 2005 1:40 am

Ist zwar keine Rechtssprechung, aber auch lustig (ich lern grad Patentrecht):

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6.1.1 Offenbarung der Erfindung bei Patentanmeldung

Eine Patentanmeldung hat die Erfindung so deutlich wiederzugeben (zu offenbare), daß danach die Ausführung durch einen Fachmann möglich ist.
Bezieht sich die Erfindung auf einen Mikroorganismus als solchen, auf ein mikrobiologisches Verfahren oder ein mit Hilfe eines solchen Verfahrens gewonnenes Erzeugnis und kann sie nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden oder entsprechend beschrieben werden, so ist die Erfindung nur geoffenbart, wenn eine Kultur bei einer entsprechenden Hinterlegungsstelle hinterlegt wurde und die Stelle sowie das Aktenzeichen der Hinterlegung dem Patentamt vor Fassung des Bekanntmachungsbeschlusses mitgeteilt wurde. Die Anmeldung selbst muß in jedem Fall die dem Anmelder zur Verfügung stehenden maßgeblichen Angaben über die Merkmale des Mirkoorganismus enthalten.

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Also ich find, das schreit regelrecht nach Mißgeschick ;-)
Forma, Eier Gnodn.

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Brett
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Beitrag von Brett » Sa Dez 17, 2005 1:48 am

Hihi, Fortsetzung:

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6.5 Einspruch

Innerhalb von 4 Monaten nach Bekanntmachung kann gegen eine Patentanmeldung schriftlich Einstpruch erhoben werden. Der Einstpruch muß sich auf einen der folgenden Gründe stützen:

eine patentfähige Erfindung liegt nicht vor,

die Offenbarung ist mangelhaft,

der Mikroorganismus nicht ständig zugänglich, der Anmelder hatte keinen Anspruch auf Patenterteilung oder der wesentliche Inhalt der Anmeldung der Beschreibung eines anderen wurde widerrechtlich entnommen.

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Forma, Eier Gnodn.

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Beitrag von Brett » Sa Dez 17, 2005 1:55 am

Noch eine pikante Sache für alle Pazifisten unter uns:

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4.6 Enteignung

Im Interesse der bewaffneten Macht oder der öffentlichen Wohlfahrt oder bei Vorliegen sonstigen zwingenden Bundesinteresses können Patente ganz oder teilweise von der Bundesverwaltung benützt oder der öffentlichen Benutzung überlassen werden. Hierzu wird aufgrund eines Erkenntnisses des zuständigen Landeshauptmannes gegen angemessene Entschädigung das Patent ganz oder teilweise enteignet. Entschädigungsberechtigt sind der Patentinhaber und sonstige Personen, denen die Benutzung des Patentes bereits rechtlich zustand.

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Erkenntnis des zuständigen Landeshauptmannes? Nanu? :cat:
Forma, Eier Gnodn.

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