obwohl der Autor, Prof. Urs Baumann, Theologe ist, ein angenehm kritischer Artikel zum Grenzbereich Physik/Metaphysik
hier ein paar Appetizer:
Je mehr wir wissen, umso deutlicher werden wir uns auch der engen Grenzen bewußt, die unserem Denken und Handeln gesetzt sind: Die Biosphäre bildet nicht mehr als einen hauchdünnen Schleier um unseren Planeten und seine Lebenszeit ist begrenzt, wie unsere eigene Lebenszeit begrenzt ist. [..] Je eingehender die Physik die Materie mathematisch und experimentell versteht, umso weniger scheint uns das Ergebnis noch vorstellbar.
So kläglich wie die Versuche früherer Zeiten, mit theologischen Argumenten naturwissenschaftliche Theorien zu widerlegen, scheiterten, so peinlich enden heute Versuche, „aus quantenphysikalischen Phänomenen einen Hinweis auf das unmittelbare Eingreifen Gottes abzuleiten“.
Naturreligionen machen die Transzendenzvorstellung noch direkt an den Erscheinungen eindrücklicher Naturereignisse fest. Für die monotheistischen Religionen symbolisiert sie sich in der daseinserhellenden Erfahrung, vor einem unendlichen Du zu stehen, das sich dem einzelnen Menschen kritisch oder in liebender Sorge zuwendet, und ihn dadurch auf einzigartige Weise zu sich selber bringt. Die klassische Philosophie fand ihre Transzendenz in der Einheit und Einzigkeit eines unendlichen Seins oder – so die östliche Tradition – in der unauslotbaren Leere absoluter Grenzenlosigkeit.
Dennoch können uns alle Messinstrumente und empirischen Forschungsmethoden nicht darüber hinweg helfen, daß wir diese Welt immer nur mit unseren eigenen Augen sehen und unsere Vorstellungskraft letztlich darüber entscheidet, ob wir sehen, was wir sehen. So sind Quantenphysiker und Astronomen auf ihre Weise mit Transzendenzerfahrungen konfrontiert, die zwar durchaus nicht religiös interpretiert werden müssen, aber doch viele Naturwissenschaftler zu philosophischen, ja religiösen Überlegungen angestoßen haben. Dann zum Beispiel, wenn sie mit ihren Ergebnissen an Grenzen stießen, wo Raum und Zeit, die Vorstellung von Materie und Energie, ja von Sein und Nichtsein überhaupt auf geheimnisvolle Weise verschwammen.
[..] Man kann solche Erfahrungen religiös deuten, aber man muß es nicht. Stets ist und bleibt auch eine atheistische Weltdeutung möglich. Ja, die Gefahr von Überinterpretationen und tendenziösen Spekulationen droht von beiden Seiten. Eine religiöse Interpretation muß sich ebenso rational verantworten können, wie eine nichtreligiöse.