
Prinzipiell finde ich es einmal eine Frechheit, dass man, hierzulande wie auch im restlichen Grossteil der Welt, gleich einmal getauft (oder sonstwie einer Religion annektiert) wird- lange bevor man kraft eigener Überlegung und Beschlusskraft darüber zu entscheiden imstande ist, ob man einer spirituellen Bewegung angehören will, und wenn, welcher.
Näxter Punkt.
Oftmals finden wir uns dabei, wie wir Sekten à la Sonnentempler o. ä. bei der Ausübung ihrer uns abstrus anmutenden Rituale belächeln oder fürchten.
Der Anblick jener Hundertschaften, welche in regelmässigen Abständen beim Petersdome vor einem alten, sabbernden und darüberhinaus in weisse Roben und güldne Ornamente gehüllten Manne darniederbrechen, müsste in uns jedoch irgendwann irgendwo den Gedanken entstehen lassen, dass das Christentum um nichts besser ist.
Von den anderen Weltreligionen ganz zu schweigen, aber daran, dass diese Bewegungen von Fanatismus nur so durchdrungen sind, hegt der moderne Erstweltler sowieso keinen Zweifel (oder, George Bush? - Aber wir können uns grösstenteils selbst bei der Nase nehmen.)
Also nochmals: Es macht in der Wertigkeit keine Differenz, ob ich in jahrhundertealten beglockten Gemäuern zu sphärischen Orgelklängen ein Waffelrund breche oder auf der Spitze des Grossglockners kahlgeschorenen Hauptes "Hare Krishna" gen Himmel rufe.
Und wenn mich jetzt irgendein Neunmalklug auf die Massenselbstmorde der Sonnentempler vor einigen Jahren und ähnliches gar blutiges Geschlächt hinweisen wollte, so ist es sonnenklar, dass ich aber sofort mit den Kreuzzügen und Hexenverbrennungen "im Namen des Herrn" daherkommen würde. In dieser Angelegenheit ist sich keiner was schuldig.
À propos, näxter Punkt:
"Imagine no religion", frei nach John Lennon: Sofort hätten wir einen- noch dazu einen riesigen- Zündstoff für Spannungen bis hin zum Kreig aus der Welt geschaffen.
Es geht mir nur um das Gedankenspiel. Klar stell ich mich nicht hin und fordere: "Schafft die Religionen ab!" Aber was sind denn Kreigsgründe, oder Herde für Feindschaften? Ideologische Differenzen! Siehe Taiwan/China. "Die Achse des Bösen". Oder sogar teils in unserem fortschrittlichen Staatenbund: Zypern/Türkei.
Ich bin im Gymnasium immer in den Reli-Unterricht gegangen, und noch nicht ausgetreten, weil wir den Pö hatten, und ich Leute, die Vernünftiges zu sagen oder zumindest eine gewisse Offenheit zu bieten haben respektiere. Kardinal König (a. D., da gestorben) etwa, ein ganz grosser Mann, und auch den Schönborn halte ich für sehr clever, auch wenn er hinsichtlich der Frauen noch sehr miese Ansichten vertritt.
Beispiel Kirchenaustritt: Als ich ausgetreten bin vor nunmehr drei Jahren, meinte meine Alte: "Da wird jetzt sicher bald ein Briefchen eintrudeln, in dem sie Dich nochmal halten wollen."
Abgesehen davon, dass es absolut typisch ist, dass man sich erst um jemanden kümmert, wenns bei dem bereits deftig kriselt (da können wir uns aber auch wieder alle selbst bei der Nase nehmen), kam-
nichts. Kein Muh, kein Mäh.
Vor wenigen Monaten folgte meine Freundin meinem Beispiel. Vor einer Woche erhielt sie einen Formbrief vom Schönborn, beiliegend ein (sehr ausdifferenzierter) Fragebogen, warum und weshalb.
Sowas find ich gut. Sowas kriegt ein "Daumen hoch" von mir. Die Diozöse holt sich Feedback. Und vermittelt somit den Eindruck, den Willen zur Verbesserung zu besitzen.
Warum nun bekommt die Verena ein Brieflein und der Max nicht? Simpel: An der Grenze Greifenstein/Höflein verläuft neben der Grenze Noricum/Pannonia auch die Diozösen-Grenze St. Pöten/Wien.
Und dem Westbahn-Kurti ist's nun einmal scheissegal...
(Bleibt abzuwarten, was der Küng auf die Beine stellt.)
Abschliessend noch ein Wort zum Topic.
Ich glaube an keine höhere, bewusst leitende Macht. Meiner Ansicht nach liegt dem Menschen selbst alles in den Händen, und nur an ihm liegt es auch, was er damit tut. (Dass er allzu oft in Agonie dahintreibt, ist eine andere Sache. Manchmal ist auch die Existenz der Religion selbst an ebendieser Agonie schuld, denn der Mensch flüchtet sich in sie- "Ich lege mein Schicksal in [...Gottheit...]s Hände", das schlimmste, was ein denkender Mensch tun kann.)
Das Problem ist: "Solange es Atheisten gibt, hat Gott die Chance, erwähnt zu werden." (Hans Kasper)
Satanismus halte ich im Übrigen für keine Lösung. Abgesehen davon, dass gerade dort ausnehmend viel über Gott gesprochen wird, ist er zumeist eine Trotz-Erscheinung, aber natürlich, wenn man sich aus freiem Willen dort anschliessen will, kann ich nichts dagegen sagen.
Überhaupt verdamme ich keinen Religionsanghörigen. Von mir aus sollen sie alle machen, was sie wollen.
Nur- nachgedacht sollen sie vorher haben.

